22 Januar, 2014

Das Wort zum Mittwoch: Verlassenheit

Heute möchte ich gerne nochmal bei Tamesis Aktion mitmachen. Mein heutiges Wort ist:

Verlassenheit

Wer tröstet mich, da meine Mutter
mich fernab vom Wege des Heiles verließ?
O Mutter Sion, sieh, ich gedenke
der Freude im Haus deiner Herrlichkeit.
Wohin soll ich fliehen?
Unsagbar mein Schmerz.
Wo bist du, o Mutter Sion?

Nur kurz nahm ich wahr deine Gegenwart
und hoffte auf Heimkehr;
verlässt du mich wieder?
Ich Unglückselige wich von dir ...
O hätte ich niemals dich gekannt,
mein Schmerz wäre leichter zu tragen.
Mit Tränen und Seufzern ruf' ich nach dir,
wo bleibt deine Hilfe für mich?


SCIVIAS I, 4, K. 1-7
aus "Gebete der Hl. Hildegard von Bingen"




Wer kennt das nicht? Dieses Gefühl schreien zu wollen, weil man sich so verlassen fühlt. 


Wikipedia sagt Folgendes dazu:
Das Gefühl von Verlassenheit – siehe auch Alleinsein, Vereinsamung, Zurückgezogenheit, Abgeschiedenheit, Isolierung – tritt im Zusammenhang mit menschlichen Verlusten, bei Trennung, Sterben und Tod wichtigster Bezugspersonen auf (Lebenspartner, Eltern, Kinder, engste Vertraute, geistige Führer). Es ist Ausdruck einer oft elementaren Erschütterung des seelischen Gleichgewichts, das auf intensiver Verbundenheit mit einem anderen Menschen, seiner ständigen realen oder geistigen Existenz, seiner unersetzlichen Bedeutung für das eigene Gleichgewicht als Gesprächspartner, als Adressat intimer Gedanken oder seiner Bedeutung als geistiger Orientierungspunkt beruhte.

 Ich fühlte mich schon öfters verlassen in meinem Leben und ich bin mir sehr sicher, dass es nicht nur mir so geht.

Als mein Papa uns verlassen hatte, als meine Eltern sich scheiden haben lassen als ich noch ein Kind war, war wohl mit die erste Konfrontation damit.

Wieso? Sicherlich hab ich mich das öfters gefragt als Kind. Erinnern kann ich mich nicht mehr daran.

Verlassen fühlte ich mich auch schon oft von meinen geistigen Führern ... wenn ich so in meinem Schmerz hier gefangen war, dass ich sie nicht mehr spürte in meinem Leben. Dann fühlte ich mich verlassen - alleine und eingehüllt von der Schwärze. Dunkelheit, die einen so umfasst, dass man schreit, weint und nach Hilfe brüllt. Ob laut oder leise.

Als mein Papa 2012 gestorben ist, da hatte ich nicht das Gefühl von Verlassenheit. Es war einfach nur ein unsäglicher Schmerz, der sich in mich gebohrt hatte. Ein Unverständnis. Er fehlt mir und oft weine ich, weil es schmerzt zu wissen, dass er nicht mehr greifbar hier ist. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass er mich verlassen hat.

Sehr greifbar hab ich dieses Gefühl von Verlassenheit gespürt, als ich 16 Jahre alt war und mein damaliger Freund mit mir Schluss gemacht hatte.

Mein Herz es schmerzt, es schreit und kreischt
verwundet ist meine zarte Seel
geschunden mein Ich
doch du scherst dich nicht.

Wieso nur hast du dies getan?
Das Messer der Worte, gerammt in meine Seel
Mein Herz es schmerzt, es schreit und kreischt
Geschunden mein Ich
doch du scherst dich nicht.

Die Worte sind mir grad eingefallen bei dem Gedanken daran, wie ich mich damals gefühlt habe.

Durch solche Gefühle können auch Verlustängste entstehen - die mal mehr oder weniger ausgeprägt sind. Sich wirklich verlassen zu fühlen ... das ist wahrlich nicht schön.

Und ich möchte noch ein Gebet zitieren:

Schmerzliche Pilgerschaft

Ich irre umher im Schatten des Todes
als Pilger im fremden Land;
mein Trost ist das Ziel der Wanderschaft.

Gefährtin der Engel sollte ich sein,
dein lebendiger Hauch, o Gott, im Lehm.
Müsst' ich dich nicht erkennen und spüren?

Weh mir, mein Zelt hat nach Norden
das Auge des Leibes gerichtet!
Gefangen wurde ich dort und - ach! -
des Lichtes beraubt und der Freude am Wissen,
mein ganzes Gewand ward zerrissen!
Aus meinem Erbe vertrieben
führte man mich in die Knechtschaft.

Wo bin ich, wie kam ich hierher?
Wer tröstet mich in der Gefangenschaft?
Wie kann ich diese Ketten zerreißen?
Wer schaut wohl nach meinen Wunden, 
wer salbt sie mit Öl und erbarmt sich?

O Himmel, erhöre mein Rufen,
due Erde, bebe vor Trauer mit mir!
Ein Fremdling bin ich ohn' Trost und Hilfe.

Scivias I, 4, K. 1-7
aus "Gebete der Hl. Hildegard von Bingen"


1 Kommentar:

athena hat gesagt…

Ja,da ist wohl was Wahres dran, mit den Verkustängsten... <3